Zeitschrift „Germanistik und Skandinavistik“, Heft 4, 2024

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Redakteure des Heftes: Ivan Tenev, Maria Endreva

Publikationsdatum: 26.11.2024

ISSN: 2815-2867

doi: https://doi.org/10.60055/GerSk.2024.4.

Inhaltsverzeichnis (auf Englisch)

Vorwort (auf Englisch)

SPRACHWISSENSCHAFT

Swedish syntax normally allows only one constituent before the finite verb in a main clause. This is captured by the so called V2 rule. Main clauses with two constituents before the finite verb are referred to as V3 structures. These are often described as a feature unique to urban vernacular Swedish. In this article, I show that this is not the case. Drawing on Interactional Linguistics, I investigate the interactional function of 206 V2 and V3 structures initiated by the adverb sen ‘then’ in ten different conversation podcasts. The canonical V2 structure is by far the most common one for sen, but one fifth of all turn-initial sen are V3 structures. Regardless of the syntactical structure, sen always creates an addition to a previously initiated communicative project. In this addition, sen can have three different meaning potentials. First, sen can add to the communicative project chronologically by emphasizing the temporal relations between different events. Second, sen can structure the discourse by dividing a communicative project in smaller parts, without chronological emphasis. Third, sen is used when speakers change their stance on a subject or introduce a counterargument. All three meanings of sen occur in V2, but the chronological meaning is very rare in V3. Initiating V3, sen is mostly used to structure the discourse and tends to be less prominent prosodically. This suggests that sen in V3 behaves much like a conjunctional discourse particle.

Schlüsselwörter: sen, Swedish syntax, V3, Interactional Lexicology, talk-in-interaction

Diderichsens Modell als oberflächliches Linearisierungsapparat für X-bar Grammatiken (auf Bulgarisch)

Konstantin Radoev Sofioter Universität „St. Kliment Ohridski“ (Bulgarien)

doi: https://doi.org/10.60055/GerSk.2024.4.35-53

The article presents a theoretical comparison between the descriptive force of two models of the Mainland Scandinavian sentence (focusing in particular on Swedish and Danish) – the traditional functional model by Paul Diderichsen, split into a front, center, and final field, and the tripartite generative X-бар model, split into a complementiser phrase (CP or CvP for the purposes of the article, also called the contextual phrase f. p. a.), an inflectional phrase (IP or IvP f. p. a.), and a verb phrase (vP or LvP f. p. a.). The text will focus on the left periphery. Based on previous research, the article puts forward the hypothesis that such a comparison could serve as the starting point for the construction of a surface-level linear model of the Bulgarian sentence, similar to the Diderichsen model. Such a model can have potential application as a tertium comparationis in the teaching of Mainland Scandinavian languages to students with L1 Bulgarian, and for foreigners learning Bulgarian as an L2.

Schlüsselwörter: sentence structure, Diderichsen sentence model, left periphery, Swedish, Danish, Bulgarian

Nina Grønnums Modell der dänischen Intonation aus einer autosegmentalen metrischen Perspektive (auf Englisch)

Maria Bakalova Sofioter Universität „St. Kliment Ohridski“ (Bulgarien)

doi: https://doi.org/10.60055/GerSk.2024.4.54-71

The purpose of this article is to present an overview of Nina Grønnum’s model of Danish intonation and discuss its central assumptions from the perspective of the autosegmental-metrical (AM) theory of intonational phonology. An attempt is made to outline key differences between Grønnum’s model and AM models, as well as summarize the findings from recent empirical investigations of intonation in Danish spontaneous speech and discuss their implications for phonological modeling. Based on that, the article argues that AM theory is not incompatible with the data for Danish intonation (as has been previously claimed by Grønnum). Rather, it is hypothesized that an AM model for Danish would be able to provide a more accurate account of melodic variation in Danish spontaneous speech.

Schlüsselwörter: Danish intonation, phonological modeling, autosegmental-metrical theory, accent, stress

Der Artikel befasst sich mit den Möglichkeiten zur Kodierung des Subjekts von Infinitivsätzen in einer Reihe indogermanischer Sprachen. Es gibt Behauptungen, dass Infinitivsätze niemals ein eigenes Subjekt haben, sondern dass dieses durch einen Teil des Hauptsatzes impliziert wird. Was Infinitivsätze eigentlich nicht haben, ist eine eigene syntaktische Position für das Subjekt. Denn bei ihnen ist die Verbalphrase infinit formuliert und die Kongruenz zwischen Subjekt und Verb kann nicht hergestellt werden. Der Verlust der Fähigkeit des infiniten Verbs zur Rektionskontrolle über den Träger/Empfänger der von ihm ausgedrückten Handlung geht jedoch nicht mit einem Verlust der logisch-semantischen Verbindung mit ihm einher. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen, dass diese Relation immer vorhanden ist, d.h. das Subjekt des Infinitivs ist immer referentiell klar. Der einzige Unterschied besteht darin, dass es in den germanischen Sprachen, aber auch in den romanischen und slawischen Sprachen, die einen Infinitiv mit klar definiertem verbalem Verhalten kennen, komplexe Satzstruktruren gibt, deren Infinitivkomplement ein implizites Subjekt und solche, die ein explizites Subjekt enthält. Im ersten Fall handelt es sich um ein PRO-Subjekt, das lexikalisch unterdrückt ist und durch eine referentiell identische Subjekt- oder Objektnominalphrase in der übergeordneten Struktur (= Antezedenz) signalisiert wird. Im zweiten Fall hingegen scheint das Subjekt des Infinitivs auf morphosyntaktischer Ebene als Konstituent (Subjekt oder Objekt) des Hauptsatzes zu funktionieren, ist aber logisch-semantisch nur mit dem untergeordneten Infinitiv verbunden und wird entsprechend explizit signalisiert. Das sind die sog. aci-, nci– und dci-Konstruktionen.

Schlüsselwörter: Subjekt des Infinitivs, PRO-Subjekt, implizites Subjekt des Infinitivs, Infinitivkonstruktionen mit explizitem Subjekt, aci-, nci– und dci-Konstruktionen

LITERATURWISSENSCHAFT

Nach der Veröffentlichung des ersten Erzählbandes von Judith Hermann Sommerhaus, später bescheinigte die Literaturkritik Hermanns Figuren Distanziertheit und Mangel an Ehrgeiz und Initiative und situierte sie in eine Berliner Künstlerszene, die ohne große Ziele und Projekte lebt und kaum von der Außenwelt berührt wird. Der Beitrag stellt die These auf, dass sich diese Rezeption von Hermanns Frühtexten im Laufe der Zeit geändert hat und dass man heute ihre Erzählungen in einen breiteren politischen und historischen Kontext stellen kann. Vor dem Hintergrund einer fortschreitenden Globalisierung erweisen sich Hermanns Texte als eine subtile Zeitdiagnose und als Kritik negativer Globalisierungsfolgen.

Schlüsselwörter: Distanziertheit, Künstlerszene, Globalisierung, Kulturindustrie

Wien als eines der ersten Publikationsorte von Paul Celan

Tymofiy Havryliv Nationale Akademie der Wissenschaften (Ukraine)

doi: https://doi.org/10.60055/GerSk.2024.4.108-116

Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die während des Wien-Aufenthalts zustande gekommenen Publikationen des aus Czernowitz in der Bukowina stammenden deutschsprachigen Lyrikers Paul Celan. „Wiener“ Publikationen werden im Kontext des Wien-Aufenthaltes des Lyrikers sowie im Kontext seines Œvre behandelt. Da die Zeit vor dem Wien-Aufenthalt in das Frühwerk Celans Eingang gefunden hat, wird sie ebenfalls mitberücksichtigt. Obwohl die Wien-Zeit am Schluss der ersten Lebensperiode Celans steht, wird sie von den ihr vorausgehenden Ereignissen sowie von der kulturellen bzw. historischen Sachlage vorweggenommen und beeinflusst. Mit der Ankunft in Wien war das Dilemma der deutschen Muttersprache versus Mördersprache ein und für allemal besiegelt. Die Themen der während des Wien-Aufenthalts veröffentlichen vor allem lyrischen Texte wurden von Celan weiterentwickelt. Die Shoah-Erfahrung, die bereits im lyrischen Frühwerk thematisiert wird, erwirkt das radikale Umdenken der Rolle der Poesie sowie ihre formale Ausgestaltung.

Schlüsselwörter: Shoah, Periodisierung, Fakt, Interpretation, Verdichtung des lyrischen Sprechens

Wilhelm Diltheys Hermeneutik: Identität und Biografie als Konstruktion

Andreas Chetkowsky Sofioter Universität „St. Kliment Ohridski“ (Bulgarien)

doi: https://doi.org/10.60055/GerSk.2024.4.117-129

Seine eigene Lebensgeschichte auf Basis seiner Erinnerungen zu verfassen birgt die Gefahr der Verfälschung aufgrund des unzuverlässigen Gedächtnisses. Beim hermeneutischen Konzept von Wilhelm Dilthey und seiner lebensgeschichtlichen Ganzheitsvorstellung spielt die Erinnerung eine entscheidende Rolle. Für Wilhelm Dilthey ist die Gattung Autobiographie am besten geeignet, um seine geisteswissenschaftliche Methode des Verstehens anzuwenden. Im Kontext des Subjektivitätsdiskurses der siebziger Jahre und der psychoanalytischen Erkenntnisse riefen vielen Schriftstellern Zweifel in Bezug auf den Wahrheitsgehalt einer hermeneutischen Darstellung des erinnerten Lebens hervor. Am Beispiel von Elias Canettis autobiographischen Schrift wird gezeigt, dass er psychoanalytischen Theorien zum Trotz dem hermeneutischen Ansatz folgt, indem er an Diltheys lebensgeschichtlich-biographischen Ganzheitsvorstellung festhält. Seine Überzeugung von einer ungebrochenen Erinnerung ermöglicht es ihm, seine Identität als Autor in der Autobiographie zum Ausdruck zu bringen.

Schlüsselwörter: Hermeneutik, Autobiographie, Geisteswissenschaften, Lebenszusammenhang, Erinnerungen

The article compares Strindberg’s “A Dream Play” with two tales by H. C. Andersen – “The Galoshes of Fortune” and “The Nightcap of the Pebersvend” – focusing on the concepts of space-time and the function of the stage or narrative object. Central to the analysis is the category of the “uncanny”, defined by Tsvetan Todorov as “experience of the borders”. The emphasis on spatial motifs and their dynamics creates the effect of “the uncanny”, which becomes an aesthetic category connecting Andersen’s Romanticism with Strindberg’s Modernism.

Schlüsselwörter: the “uncanny”, Andersen, Strindberg, the functions of a narrative/stage object

KULTURWISSENSCHAFTEN UND LANDESKUNDE

Тhe present study examines several compositions representative of the German musical tradition, wherein the basic musical material has been derived through the cryptographic procedure of encoding names with the letter designations of the pitches (i.e. letter notation). Three main thematic lines are highlighted in the research: the possible meanings embedded in the works by means of the applied cryptographic compositional approach; the tradition among German composers of inlaying tone monograms in their works of significance; the application of musical cryptographic procedures as a strategy of artistic legitimation. The starting point of the analysis is the idea of Bach’s personality and music as an enduring ideal that remains relevant – a foundation of a creative ideology that evolves over time.

Schlüsselwörter: musical cryptography, composers’ monograms, Johann Sebastian Bach, Robert Schumann, Arnold Schönberg

ÜBERSETZUNGEN VON LYRIK UND PROSA

Die hier ausgewählten Gedichte stellen dem bulgarischen Lesepublikum sowohl bekannte als auch weniger bekannte Vertreter der zeitgenössischen norwegischen und dänischen Dichtkunst vor. 

Anlässlich des Tages der bulgarischen Sprache und Kultur am 24. Mai und im Rahmen der „St.-Kliment-Tage“ organisierte die Fakultät für Klassische und Moderne Sprachen der Universität Sofia einen Wettbewerb zur Übersetzung von Poesie aus einer Fremdsprache ins Bulgarische unter dem Titel „Die Welt ist in uns mittels der Sprache und der Schrift.“

Die Übersetzungen wurden von Drittsemesterstudierenden des Studiengangs Skandinavistik erstellt, die ein besonderes Interesse an skandinavischen Literaturen, dem Gesamtwerk von Knut Hamsun und anderen skandinavischen Autoren zeigen.

IN WETTBEWERBEN AUSGEZEICHNETE ÜBERSETZUNGEN

In der dritten Ausgabe des Studentenwettbewerbs für Übersetzungen aus dem Deutschen hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, wahlweise an einem Auszug aus dem neuesten Roman des zeitgenössischen deutschen Schriftstellers Jan Peter Bremer Nachhausekommen (Berlin/München: Berlin Verlag, 2023) oder an einem Passus aus der Monographie von Juliane Rebentisch Der Streit um Pluralität. Auseinandersetzungen mit Hannah Arendt (Berlin: Suhrkamp, 2022) zu arbeiten, die der politischen Philosophie des Pluralismus von Hannah Arendt gewidmet ist.

Übersetzungswettbewerb aus den skandinavischen Sprachen zu Ehren von Prof. Dr. Vera Gancheva

Nikol Stamenova, Gergana Vaseva, Radost Yovkova, Lora Angelova, Nia Spasova, Tsvetina Kirilova

Anfang 2024 veranstaltete das Skandinavistik-Programm des Lehrstuhls für Germanistik und Skandinavistik an der Universität Sofia St. Kliment Ohridski die dritte Ausgabe des Übersetzungswettbewerbs für literarische Prosa und Poesie für Studierende und Schüler, die skandinavische Sprachen lernen. Der Wettbewerb ist dem Andenken an Prof. Vera Gantschewa gewidmet, einer herausragenden Skandinavistin, Übersetzerin, Lehrerin, Verlegerin und Wissenschaftlerin. Insgesamt nahmen 21 Teilnehmer an der dritten Ausgabe teil und reichten insgesamt 31 Übersetzungen ein.

Essay-Wettbewerb auf Dänisch

Joan Ivanov, Gergana Vaseva, Aglaja Bineva

Seit 2015 organisiert das Hans-Christian-Andersen-Forschungs- und Informationszentrum der Universität Sofia St. Kliment Ohridski in Zusammenarbeit mit der Botschaft von Dänemark in Sofia und der dänischen Kultur- und Palastbehörde (Slots- og Kulturstyrelsen) den jährlichen Aufsatzwettbewerb für die dänische Sprache.

STUDIERENDENPROJEKTE

In diesem Beitrag wird das Podcast-Projekt anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der Germanistik an der Sv. Kliment Ohridski Universität vorgestellt. Nach einem kurzen Überblick, welche Vorteile die Nutzung des Podcasts im Fremdsprachenunterricht hat, wird das Projekt näher dargestellt. Dabei werden die einzelnen Phasen beschrieben: Vorbereitung und Planung sowie Produktion und Veröffentlichung. Im Anschluss daran erfolgt die Auswertung des Projekts aus der Sicht der Teilnehmenden als auch der Lehrkraft. Zum Schluss wird ein Ausblick gegeben, inwieweit Podcasts im Allgemeinen mehr Aufmerksamkeit im Fremdsprachenunterricht bekommen sollten als auch welche Erweiterungen bzw. Nachfolgeprojekte mit dem erstellten Podcast angefertigt werden können. Der Beitrag verfolgt primär das Ziel, für projektorientierte Unterrichtsformen zu ermutigen.

Schlüsselwörter: Podcast, projektorientierter Unterricht, neue Medien

Felix Lobrechts Roman „Sonne und Beton“ im Kontext von Deutsch als Fremdsprache

Angel Boyanov, Jacqueline Dyballa, Maria Nikolaeva, Ivan Stoyanov

In diesem Beitrag werden die Ergebnisse der Buchbesprechung des Romans „Sonne und Beton“ von Felix Lobrecht festgehalten. Neben einen kurzen Autorenprofil werden die vier Hauptcharaktere unter die Lupe genommen und miteinander verglichen. Zudem wird die Sprache des Romans, der durch die Jugendsprache und den Berliner Dialekt geprägt ist, analysiert. Zum Abschluss wird auf die Gropiusstadt, in der der Roman spielt, eingegangen und welche Rolle der Ort nicht nur im Roman Sonne und Beton spielt, sondern auch in dem Roman „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ von Christiane F..

Schlüsselwörter: Gegenwartsliteratur, Jugendsprache, Dialekt

Gegenstand unserer Untersuchung war die Phrasemkonstruktion [von A (N1) so viel verstehen wie X von Y (N2)]. Verfestigte Realisierungen dieser Konstruktion sind z.B. von A so viel verstehen wie der Hahn vom Eierlegen/ wie die Kuh vom Radfahren/ wie die Kuh vom Sonntag/ wie die Kuh vom Schachspielen.

REZENSIONEN

Der Sammelband „WENDEZEITEN: Erfahrungen – Erwartungen – Erzählungen“ vereint wissenschaftliche Beiträge, die im Rahmen der 7. Internationalen Konferenz des Bulgarischen Germanistenverbandes (BGV) präsentiert und diskutiert wurden. Ein zentraler Anlass der Konferenz war unter anderem das Ende der langen, durch die Covid-19-Pandemie bedingten Online-Phase, die sowohl Tagungen als auch den Unterricht an Schulen und Universitäten stark beeinflusst hatte.